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Versorgung von Erwachsenen mit angeborenem Herzfehler im Realitätscheck

Theoretisch existieren deutschlandweit alle Voraussetzungen für eine flächendeckende, spezialisierte Versorgung von Patienten mit angeborenen Herzfehlern. Dennoch befinden sich über 60% der etwa 330,000 in Deutschland lebenden Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern (EmaH) nicht in zertifizierter Betreuung. Wie sieht eine spezifische EmaH-Versorgung überhaupt aus? Warum brauchen wir sie? Wo liegen die Probleme? Was müssen wir in Zukunft ändern? All das erfahren Sie in diesem Blog-Beitrag.

EmaH-Versorgung in Deutschland

Nach internationalem Vorbild hat sich auch in Deutschland ein dreistufiges Modell für die Versorgung von EmaH durchgesetzt (vgl. Abbildung 1).

In der ersten Versorgungsstufe, der Basisversorgung, werden alle Patienten grundsätzlich durch Ihren Haus-/Allgemeinarzt betreut. Vielfach müssen diese Ärzte allerdings noch über die Bedürfnisse der EmaH aufgeklärt werden. Die Betreuung sollte daher in enger Kooperation mit der zweiten Versorgungsstufe, den regionalen EmaH-Schwerpunktpraxen/-kliniken erfolgen. Diese Einrichtungen wiederum bilden das Bindeglied zur dritten Versorgungsebene, den überregionalen EmaH-Zentren (Maximalversorgern).

Oberstes Ziel ist es eine flächendeckende, bedarfsgerechte Versorgung von Patienten mit angeborenem Herzfehler sicherzustellen und sie in Abhängigkeit von Art, Schweregrad und Stadium ihres Herzfehlers, lebenslang spezifisch betreuen zu können. In Deutschland existieren aktuell 20 überregionale EmaH-Zentren, vier EmaH-Schwerpunktkliniken, sieben EmaH-Schwerpunktpraxen sowie mehr als 320 Erwachsenen- und Kinderkardiologen mit entsprechender Zusatzqualifikation. Eine Aufzählung aller in Deutschland existierenden Einrichtungen finden Sie unter folgendem Link:


Warum ist eine spezifische Versorgung durch einen EMAH-Spezialisten überhaupt notwendig?


Unabhängig davon ob der angeborene Herzfehler operiert, nativ, katheter-interventionell oder palliativ behandelt wurde, bleiben EmaH chronisch krank. Der Gesundheitszustand und auch die Lebenserwartung hängen dabei im Langzeitverlauf stark von einer kontinuierlichen, kompetenten Nachsorge ab. Dies gilt unabhängig vom Schweregrad des Herzfehlers, da auch vermeintlich einfache Herzfehler in größerem Ausmaß als bisher angenommen, zu Komplikationen bzw. Gesundheitseinschränkungen führen können. Zur EMAH-Nachsorge gehören neben der klinischen Untersuchung, Echokardiographie, Belastungs- und Laboruntersuchungen sowie selektiv Magnetresonanztomographie, Computertomographie, Herzkatheter- und elektrophysiologische Untersuchung. Über die rein kardiologische Betreuung hinaus erhalten EmaH zahlreiche Informationen und Beratungen zu beispielsweise körperlicher Leistungsfähigkeit, Versicherungsfragen, Schulbildung, Berufsfindung/Ausbildung, Schwangerschaft, Genetik, psychische Gesundheit, Lebensstil, Schwerbehinderung, Reisen oder Flugtauglichkeit.

Besonders hervorzuheben ist der Fall der erstmaligen Diagnose des angeborenen Herzfehlers im Erwachsenenalter: Patienten, deren angeborener Herzfehler erst im Erwachsenenalter festgestellt wird, sollten sich direkt in einem Zentrum der Maximalversorgung vorstellen, da nur diese über ausreichende Kenntnisse, Untersuchungsmöglichkeiten und Erfahrungen mit diesem speziellen Patientenkollektiv verfügen.


Probleme in der Versorgung

Über 200,000 der in Deutschland lebenden EmaH befinden sich aktuell nicht in zertifizierter Betreuung. EmaH gelten sogar als die am schlechtesten versorgten kardiologischen Patienten überhaupt. Anders als EmaH sind Kinder und Jugendliche mit angeborenem Herzfehler bis zum Erreichen der Transitionsphase (Übergang vom Jugend- ins Erwachsenenalter) durch ihre Kinderkardiologen zumeist sehr gut versorgt. Systembedingt müssen die jungen Erwachsenen dann aber diese Versorgungsstrukturen verlassen und neue Ansprechpartner finden. Diese kritische Lebensphase verlangt viel Selbstdisziplin von den heranwachsenden Patienten ab. Dabei unterschätzen sie oft die nötigen Check-ups und entziehen sich der geregelten Nachsorge, was zu der sogenannten „Loss-to-follow-up“- Problematik führt.

Zudem scheint vielen Patienten nicht klar zu sein, dass ihr angeborener Herzfehler nicht geheilt, sondern nur repariert wird, was eine lebenslange Nachsorge notwendig macht. Auch auf Ebene der Basisversorger, d.h der Haus- und Allgemeinärzte, ebenso wie bei nicht-spezifisch ausgebildeten Kardiologen fehlt vielfach das Bewusstsein für die EmaH-Problematik.


Versorgung der Zukunft

Für eine flächendeckende Versorgung der EmaH ist das beschriebene Dreistufenschema (Abb. 1) eine grundsätzliche Voraussetzung.

Im Jahre 2018 ist es gelungen die Zusatzbezeichnung „EMAH“ für Kinderkardiologen und Erwachsenenkardiologen in die Weiterbildungsordnung aufzunehmen. Dies ist der richtige Schritt um den Anteil der spezialisierten EMAH-Ärzte zukünftig zu steigen. Dieses Ziel ist nur zu erreichen, indem die Anzahl der Weiterbildungsmöglichkeiten für interessierte Ärzte in spezialisierten Kliniken bzw. Abteilungen, aber auch durch Fortbildungsveranstaltungen, zunehmen. Anders als die bereits in ausreichender Anzahl vorhandenen überregionalen EmaH-Zentren, hinkt die Zahl der regionalen Schwerpunktkliniken/-praxen noch etwas hinterher. Die Anzahl sollte in Zukunft noch weiter steigen um einerseits den Patientenbedarf aber vor allem, auch um die Kooperation mit den Hausärzten besser zu decken.

Die seit dem Jahr 2016 unter Federführung des Deutschen Herzzentrum München durchgeführten VEmaH-Studie konnte zudem weitere Problemlösungsansätze zur Schließung der „Versorgungslücke bei EmaH“ herausarbeiten. Ganz zentral ist vor allem die Steigerung des Bewusstseins der beschriebenen EmaH-Problematik. EmaH-Expertenzentren und -experten müssen sichtbarer werden und ihre Zusammenarbeit mit Primärversorgern muss intensiviert werden! Zudem müssen Konzepte im Bereich der Krankheitsprävention geschaffen werden, um Morbidität und Mortalität im Bereich der angeborenen Herzfehler noch weiter zu senken.



Abbildung 1: Das dreistufige EmaH-Versorgungsmodell (modifiziert nach Kaemmerer et al. 2006)

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